Notting Hill Carnival

Sonntag, 28.08.2011

Ich fühle, ich werde schon wieder krank oder zumindest kränklich. Dieses Wetter hier macht mich fertig. Ob sich mein Körper je dran gewöhnen würde?

Da Wochenende ist und ich nicht faul oder krank zu Hause sitzen will, werde ich mit Katarina, meiner schwedischen Mitbewohnerin, zum großen Straßenfest gehen. Außerdem wollen noch Rosa und eine weitere Dänin mitkommen.

Obwohl der Notting Hill Carnival heute für Kinder sein soll und morgen erst für die Erwachsenen, sind wir sehr gespannt, was uns erwartet. Durch die Unruhen wird der Carnival etwas früher offiziell beendet werden, aus Sicherheitsgründen. Doch die Party geht danach weiter, wahrscheinlich an jeder Straßenecke. Da wir das Risiko nicht einschätzen können, wollen wir heute am "Kindertag" testen, wie gefährlich es werden könnte, wenn die Leute plötzlich verrückt spielen sollten. Ausgemacht haben wir uns, dass wir spätestens wenn es dunkel wird nach Hause gehen. Denn zur späteren Stunde, weiß man nie, was passieren kann. Man bedenke den Alkoholspiegel, welcher wohl proportional zum Stundenverlauf des Tages steigt. 

Durch die erwarteten Massen sind einige U-Bahn Stationen rund um Notting Hill gesperrt oder nur als Ausgänge zu verstehen (also an den Stationen kann man nicht einsteigen). Der Ansturm in den Stationen und Zügen wird riesig sein, daher verabreden wir uns mit Rosa und ihrer Hostlemitbewohnerin auf der Platform, wo unsere Wege sich sozusagen kreuzen, um gemeinsam zum Ort des Geschehens zu gelangen. Nachdem wir eine halbe Stunde an der Platform der Bond Street im Untergrund warten ohne Rosa anzutreffen, wissen wir nicht genau, was wir machen sollen, da für den Fall, dass wir uns nicht finden, kein Plan B besprochen wurde. Wir gehen kurz hoch, um mit dem Telefon Empfang zu haben und versuchen Rosa anzurufen. Keine Chance, sie ist wohl selbst irgendwo im Untergrund des Londoner U-Bahn-Systems. Nachdem wir nochmal ein paar vollgestopfte Züge haben fahren lassen, entscheiden wir zum Fest zu fahren und dort nochmal anzurufen. Dann müssen wir uns eben doch dort finden. Am Ende haben Rosa und ihre Freundin genau den selben Gedanken gehabt und sind zum Karneval gefahren. Wir müssen uns knapp verpasst haben, aber Dank McDoof finden wir uns problemlos. Denn McDoof kann man einfach nicht verfehlen. 

Nun endlich richtig auf dem Notting Hill Carnival angekommen, fallen uns sofort die vielen Polizisten auf. An jeder Ecke stehen sie und geben ein Gefühl von Sicherheit und Kontrolle. Wirklich stören tun sie nicht, denn die meisten Polizisten sind zu Späßen aufgelegt und haben selbst ihre Freude am Fest. In Deutschland wäre eine solche Harmonie nicht denkbar. 

Menschenmassen so weit das Auge reicht.

Sonnenschein und geschmückte Strassen in Notting Hill

Der Sinn des Karnevals besteht wohl darin, ziellos umher zu laufen, sich zu betrinken und sich durch die internationalen Köstlichkeiten zu essen. Also schließen wir uns der Masse an und laufen in der Gegend umher, meistens mit den Strom, denn entgegen ist wirklich nicht zu empfehlen. Wir sehen hin und wieder kleine Stände, wo face paintings angeboten werden. Doch die Mädels sind zu unmutig sich selbst eine kleine Bemalung verpassen zu lassen. Die Preise sind zudem übertrieben teuer! Später werden wir von zwei Mädels eingeladen ihre Tanzperformence anzusehen. Endlich mal eine richtige Aktion hier auf dem Straßenfest! Der Tanz war ganz unterhaltsam und eine schöne Abwechslung, doch irgendwie haben wir das Gefühl, mehr wird hier heute nicht mehr passieren. Also machen wir uns langsam auf den Weg Richtung Anfang des Geschehens.

Straßenküche mit lecker Köstlichkeiten ...

... die wir zum Mittag vertilgt haben.

Die Wohngegend ist traumhaft (teuer).

Musiker, völlig in seinem Element.

Ja, Kostüme gab es auch

Tänzerin. Rio ist es natürlich nicht!

Und da, plötzlich, sehen wir die Parade mit einigen Wagen umherziehen. Vorher hatten wir die Parade nur von sehr weit sehen können, doch nun zog sie direkt an uns vorbei. Wir haben Glück, dass die Straße hier nicht zu überlaufen ist, so dass wir wirklich gute Sicht haben. Einige der Wagen sind sehr gelungen und auch die Umherziehenden sehen teilweise richtig schön und farbenfroh aus. Seht selbst die Fotos! 

Karnevalswagen

Tänzerin auf der Parade.

Karnevalsparade

Tänzerinnen der Parade

Notting Hill Carnival

letzte Reparaturen am Kostüm

kritische Kostüm-Kleid-Komplikationen

Beste Sicht auf den Umzug!

Alle, die hier wohnen und einen Balkon besitzen, haben natürlich den besten Blick! Gegenüber war ein voller Balkon mit tanzwütigen reichen Notting Hill Bewohnern.

Wir hatten aber auch unseren Spaß!

Katta und Line.

abseits der Parade. traumhaft schön.

That´s me.

Zack Mikro, zack Musik, zack Party - das alles auf der Straße in der Hood.

Gegen Abend haben wir uns doch entschieden zum Gospel zu gehen, für den sie am Anfang unserer Karnevalswanderung Werbung gemacht haben, auch wenn wir dann gegen unsere Abmachung, nicht allzu spät zu gehen, verstoßen. Wir vier Mädels hatten keine Bedenken, da bisher alles ruhig verlief. Am Ende war es auch unbedenklich. Der Gospel fing richtig gut an! Auch wenn wir etwas anderes erwartet hatten. Ich stelle mir nen richtig guten Gospel wie folgt vor: Schwarze mit megatollen Stimmen, Temperament und Power, keine Einzelperson, sondern eine Gruppe von Sängern und Soloeinlagen, sowie OHNE Mikro. Wie stellt ihr euch einen Gospel denn vor? Ich muss dazu sagen, dass der Gospel in der Kirche stattfand. Zudem war die Kirche mit einer Technik ausgestattet, wie z.B. Fernsehr zum Mitlesen der Texte, sowie Lautsprechern. Ich habe mich fast wie in einem kleinen Theater gefühlt. Jedenfalls waren fast nur "Selbstdarsteller" zu sehen, die aber eine Unmenge von Energie mitgebracht haben, und nur eine Gruppe in Form eines Trios. Dieses Trio war erst ganz am Ende dran. Zum Glück sind wir geblieben, denn diese drei so unterschiedlichen Sänger waren einfach nur Bombe und gospeltauglich. Katarina und ich haben zwischendurch echt überlegt, ob wir in einer Sekte gelandet sind. Die Selbstdarsteller haben wahre Gehirnwäsche verübt! Die Leute haben sich voll mitreißen lassen. Die ganze Kirche hat getanzt und mitgesungen. Dieses Gefühl, ich nenne es gar Gemeinschaftsgefühl, war unglaublich. Das so ne Partystimmung in einer Kirche entstehen kann ... der Papst würde im Erdboden versinken. Doch es scheint so leicht, Menschen zu beeinflussen und für einen Glauben zu manipulieren. Denn so kam es mir vor. Ich bin also mit ganz gemischten Gefühlen nach Hause gefahren. Einerseits, wow, wie powervoll die Stimmung war und andereseits wie krass einfach es ist, die Leute für etwas zu mobilisieren.

Beim Gospel

Danach wurde ich aufgefordert, das Fotografieren zu unterlassen. Ich glaube, ich hätte bezahlen müssen, dann hätte ich Fotos machen können.

Ätschbätsch, ein kleines Video habe ich trotzdem gefilmt  :D

Morgen wollen wir es wagen zum "Erwachsenentag" zu gehen, da es heute, wie bereits gesagt, ungefährlich war. Ich bin gespannt, was uns morgen erwartet!